Ein Leben in Angst und Unterdrückung erdulden (müssen)

2016 heiratet Naima aus Tunesien Peter, einen Schweizerbürger. Bereits nach wenigen Wochen des Zusammenlebens schlägt Peter Naima und verbietet ihr alleine das Haus zu verlassen. Nach 3 Jahren hält Naima die Situation nicht mehr aus und möchte sich von Peter trennen. Sie hat aber grosse Angst ihre Aufenthaltsbewilligung zu verlieren und in Tunesien als geschiedene Frau ausgegrenzt zu werden.

Bei Menschen aus Drittstaaten, welche per Familiennachzug in die Schweiz eingereist sind, überprüft das Migrationsamt im Fall einer Trennung, ob die gesetzlichen Bedingungen (gemäss Art. 50 des Ausländergesetzes) für die Erteilung einer selbständigen Aufenthaltsbewilligung (unabhängig vom Ehepartner) gegeben sind. Geprüft wird ob eine der folgenden Bedingungen erfüllt sind:

  • ob die Ehegemeinschaft mindestens drei Jahre bestanden hat (gemeint ist das tatsächliche Zusammenleben in der Schweiz) und eine erfolgreiche Integration besteht
  • oder ob wichtige persönliche Gründe einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen.

Wichtige persönliche Gründe können namentlich vorliegen, wenn die Ehegattin oder der Ehegatte Opfer ehelicher Gewalt wurde oder die Ehe nicht aus freiem Willen geschlossen hat oder die soziale Wiedereingliederung im Herkunftsland stark gefährdet erscheint.

Naima erfüllt zwar die Bedingung des 3jährigen Zusammenlebens, aber sie spricht erst sehr wenig Deutsch und eine Arbeitsstelle hat sie auch nicht. Dies weil ihr Ehemann ihr verbietet einen Deutschkurs zu besuchen und einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Naima bleibt somit die Möglichkeit eine unabhängige Aufenthaltsbewilligung zu erhalten indem sie Häusliche Gewalt geltend macht. Die häusliche Gewalt muss jedoch gemäss Ausländergesetz massiv und gut dokumentiert sein. Die Dokumentation ist mit einem Mehraufwand für das Opfer verbunden und oftmals schwer zu erreichen (häufig fehlende Sprachkenntnisse und wenig Kenntnisse der Gesetzeslage). Diese Hürde und die Angst vor einem negativen Entscheid bewegen viele Opfer von Häuslicher Gewalt dazu in der Situation zu verbleiben und die Gewalt weiter zu erdulden.

Naima wagt es trotz dieser Hürden. Sie meldet sich bei einer Beratungsstelle, welche ihr hilft eine Anwältin mit einem Eheschutzgesuch zu beauftragen. Weiter suchen sie gemeinsam nach einer sicheren Unterbringung, so dass sie ihren Ehemann verlassen kann. Auch für die Dokumentierung der Häuslichen Gewalt erhält sie Unterstützung von der Beratungsstelle. So erreicht Naima, dass sie ein Leben frei von Angst und Unterdrückung beginnen kann.

Von frabina, Dezember 2018

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